Band 2
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Der Beginn der Prozeßführung gegen den Deutschen Orden

Nun setzte auch eine weitere Aktivität des Papstes gegen den Orden ein. Papst Clemens V. beauftragte am 19. Juni 1310 in Avignon den Erzbischof Johann von Bremen und den Magister Albert von Mailand, Domherr von Ravenna, die Ausschreitungen des Deutschen Ordens gegen die Kirche von Riga und auch dessen neulich in Danzig verübten Grausamkeiten sowie die Zerstörung des Braunsberger Franziskanerklosters am Frischen Haff zu untersuchen. 111 Ferner beauftragte er den Erzbischof von Bremen mit der Untersuchung der Wahl des Bischofs Ludecho von Pomesanien. Sollte diese nicht rechtmäßig erfolgt sein, so soll ein anderer Bischof bestellt werden.111a Und am 25. November setzte er für den Erzbischof Johann von Bremen und den Domherren von Ravenna, Albert von Mailand, als bestellte Untersuchungsrichter gegen den Orden in Riga, Livland und Preußen Tagegelder fest und verlieh ihnen gewisse Strafbefugnisse. 112 In diese Zeit dürften auch die Aussagen des Ordensprokurators über die Ereignisse 1308 in Danzig als Antwort auf die Abstellung der Untersuchungsrichter vom 19. Juni anzusetzen sein.

Nach Bekanntwerden der Bestellung der Untersuchungsrichter befleißigten sich der Provinzial-Prior Peregrinus des Predigerordens sowie dessen Kapitel in Polen am 9. Oktober 1310 zu Elbing zugunsten des Deutschen Ordens auszusagen. 113 Dem folgten am 18. Oktober 1310 die Bischöfe Hermann von Kulm, Eberhard von Ermland und Siegfried von Samland, indem sie den Deutschen Orden beim Kardinalskollegium gegen die Anklagen, die Ordensritter hätten in Danzig eine unzählige Menge von Christen getötet, in Schutz nahmen.114 

Schließlich wandten sich am 15. November weitere preußische Bischöfe ebenfalls an das Kardinalskollegium mit der Aussage, daß der Orden seinen Pflichten in Preußen genüge und die gegen ihn erhobenen Anklagen unwahr seien. 115

Daß diese Aussagen stark zugunsten des Ordens gefärbt waren, läßt sich denken. Nun zeigte sich die Richtigkeit des Handelns von Konrad von Feuchtwangen, die Kurie in den Ordensgebieten an der Ostsee mit Ordenspriestern und Freunden des Ordens zu durchsetzen. Über 250 Anklagepunkte gegen den Deutschen Orden kamen schließlich zusammen, die weitaus übertrieben und teilweise unwahr waren. Hier nur ein Einblick in einen Teil dieser Anklagen: 116

Der Orden habe

- in Danzig 10 000 Menschen ermordet
- polnische Ritter in Danzig hingerichtet
- die Klöster der Dominikaner in Danzig und Dirschau zerstört
- den Erzbischof Johann III. eingekerkert
- das Stift Dünamünde zu Unrecht besetzt
- Bistümer zu Unrecht an sich gebracht
- den Untergang von Bistümern verschuldet und andere finanziell ganz heruntergebracht
- die Arbeit der Missionare und den Bau von Kirchen verhindert
- einen König zum Abfall vom christlichen Glauben gebracht
- in Livland Zwietracht gesät und wolle dort allein herrschen
- die Semgaller vernichtet und 100 000 zur Auswanderung gezwungen
- Waffen und Waren an die Heiden geliefert
- tödlich verwundete Ordensbrüder verbrannt
- seinen Brüdern Befreiung vom Fastengebot erteilt.

Die im Frühjahr 1310 wieder aufgenommenen Prozesse gegen die Templer waren eine deutliche Warnung an den Deutschen Orden, so daß er alles unternehmen mußte, diesen Anklagen energisch entgegenzutreten. 117

Der Papst Clemens V. wollte die Kirche in Preußen und Livland vom Einfluß des Ordens säubern und beauftragte am 17. Februar 1311 seine Untersuchungsrichter in Preußen und Livland, diejenigen vorzuladen, die sich in der Diözese Riga unrechtmäßig als Bischöfe betrachten. 118 


111) Friedrich, DRO S. 33; UB Livl. II Sp. 47 Nr.  DCXXX; UB Pommer. S.605 Nr. 687; UB Pr. II S. 6 Nr. 13
111a) UB Pr. II S. 10 Nr. 14
112) UB Pr. II S. 16 Nr. 23
113) Friedrich, DRO S. 36; Seraphim, Zeugenverhör Beil. VII; UB Pr. II S. 12 Nr. 19; Voigt, Codex III S. 73; Voigt, Gesch. Pr. IV S. 271
114) Friedrich, DRO S. 36; UB Pommer. S. 608 Nr. 692; UB Pr. II S. 13 Nr. 20
115) Voigt, Codex II S. 74; Voigt, Gesch. Pr. IV S. 271
116) Seraphim, Zeugenverhör S. XVI ff; Tumler, DO S. 311
117) Müller, Konzil S. 34 ff - Die Inquisitoren stammten vorwiegend aus Frankreich und bestanden aus einer päpstlichen sowie bischöflichen Kommission. Die Auswahl der Zeugen sowie deren Beeinflussung wurde planmäßig vorgenommen. Schließlich gab am 10. August 1310 der Papst die Anweisung, die Folter zu gebrauchen, da er mit den Ergebnissen in den Verhören der außerfranzösischeu Länder nicht zufrieden war.
118) Friedrich, DRO S. 37; UB Pr. II S. 18 Nr. 28

Erstellt: 16.3.1998 durch Werner Uhlich
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