Band 2
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Gesetze des Hochmeisters Siegfried von Feuchtwangen
Deutsche Übersetzung

1.  Wir bestimmen, daß der Meister nicht übers Gebirge gehen darf, ausgenommen in Angelegenheiten, die die drei Gebietiger von Deutschland, Livland und Preußen betreffen. Dies soll wie folgt geschehen. Derjenige, der den Meister in sein Land bittet, der soll dies mit Angabe des Grundes den anderen zweien mitteilen und veranlassen, daß sie ihren Boten mit dem seinigen zum Meister und dem Kapitel senden, so daß sie geschlossen diese Angelegenheit dem Meister und dem Kapitel vortragen. Danach soll das Kapitel über die Notwendigkeit entscheiden und dem Meister die Erlaubnis geben, das Haupthaus zu verlassen oder dies ihm zu verweigern. Das Kapitel ist nicht verpflichtet, ihm die Fahrt übers Gebirge zu erlauben, unabhängig wie die Dinge liegen. Ihm ist gegebenenfalls die Zeit zu nennen, in der er ins Haupthaus zurückzukehren hat. Die Kosten für den Aufenthalt des Meisters und der ihn begleitenden Brüder muß der Landkomtur zahlen, der ihn zu sich gebeten hat.

2.  Auch bestimmen wir, daß wenn der Meister aufgrund einer Einladung in eines der drei Länder kommt, er nicht berechtigt ist, von den drei Ländern Güter zu nehmen oder Steuern zu erheben, insbesondere vom Haus zu Koblenz, und daß er in dem Land all das tut, was die Zustimmung des Gebietigers und der Brüder, die für das Land verantwortlich sind, findet. Dasselbe gilt seinen mitgenommenen Brüdern. Auch bestimmen wir, daß niemand die Macht hat, das Haupthaus zu verändern oder an einen anderen Ort zu verlegen. Wenn dies geschehen soll, dann nur mit allgemeiner Zustimmung des Meisters und des Kapitels sowie der drei Gebietiger von Deutschland, Livland und Preußen und dem Landkomtur der Welsehen Lande. Auch bestimmen wir, daß der Meister nicht die Macht hat, den Großkomtur und den Spittler aus dem Haupthaus zu schikken, es sei denn mit Zustimmung des Kapitels. Innerhalb eines Monats sollen diese von dem betreffenden Ort wieder zurückkehren.

3. Auch bestimmen wir, daß der Meister jedes Jahr ein Kapitel im Haupthaus am Tag des Heiligen Kreuzes hält nach den Gewohnheiten des Ordens und des Heiligen Landes. Auch bestimmen wir, daß der Meister immer nach sechs Jahren ein großes Kapitel am Tag Philipp und Jakobi hält. Dazu sollen die Gebietiger von Deutschland, Livland und Preußen kommen, jeder mit zwei Brüdern, die ihnen geeignet erscheinen, die Landkomture von Österreich, Bozen und dem Welschen Land, jeder ebenso mit zwei geeigneten Brüdern. Wenn die vorgenannten Gebietiger, Landkomture und Brüder ins Haupthaus kommen, so soll mit dem Kapitel überprüft werden, ob der Meister merklich gegen die Gesetze verstoßen habe und sich anderen Dingen zugewandt und sich nicht nach den Ordensregeln gerichtet hat. Das sollen sie vor das Kapitel und die vorgenannten Gebietiger und Brüder bringen. Entsprechend dem Sachverhalt sollen sie befugt sein, den Meister des Amtes zu entheben und an seiner Statt einen neuen Meister zu wählen.

4. Wir bestimmen auch, daß, wenn ein Meister ohne Zustimmung des Kapitels und der Gebietiger der drei Länder Deutschland, Livland und Preußen über das Gebirge geht, ihm fortan kein Bruder mehr Gehorsam zu leisten braucht.

5. Wir bestimmen auch, daß wenn ein Bruder zum Hochmeister gewählt wird, er der Zustimmung der Brüder gehorcht, und daß er vor allen Dingen gelobt und schwört, daß er die Gesetze einhält, und falls er dies nicht tut, so soll man ihn für einen bösen und ungehorsamen Bruder halten.

6. Auch bestimmen wir, daß wenn einer der drei Gebietiger von Deutschland, Livland und Preußen stirbt, oder mit anderen Dingen beschäftigt ist und dem Land nicht vorstehen kann, so sollen die Komture und die besten Brüder des Landes zusammenkommen und sollen nach Überlegung oder anderer Rat zwei Brüder suchen und benennen, die nach ihrer Ansicht die geeignetsten als Gebietiger des Landes wären. Mit Boten oder Briefen sollen sie diese Entscheidung dem Meister und Kapitel zukommen lassen, damit der Meister und das Kapitel denjenigen mit dem Gebiet betrauen können, der ihnenam besten dazu geeignet erscheint, dies bis zum großen Kapitel, das man nach sechs Jahren zu halten pflegt.
 

Die Statuten des Deutschen Ordens schreiben unter anderem vor, daß wichtige Entschlüsse des Hochmeisters stets der Zustimmung des Kapitels bedürfen. Mit der Verlegung des Haupthauses von Venedig auf die Marienburg wurde der Anfang eines weltlichen Staates des Deutschen Ordens gemacht. So betrachtet, zeigen die vorliegenden Gesetze Siegfrieds von Feuchtwangen einen um seine Zeit einmaligen Ansatz einer demokratischen Regierungsform in der Führungsschicht. Anders als bei den vielen Fürstentümern und der Reichsregierung selbst ist der Hochmeister in seinen Entschlüssen letzthin doch von der Genehmigung durch das Kapitel abhängig.


Erstellt: 16.3.1998 durch Werner Uhlich
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