Band 1
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Die Gründung des Klosters Feuchtwangen

Der romanische Kreuzgang mitten in der Altstadt von Feuchtwangen, seit 1949 weithin bekannt als Schauplatz sommerlicher Theateraufführungen, 1 gibt sich dem interessierten Besucher bald als Teil einer Klosteranlage zu erkennen. Angebaut an die ehemalige Klosterkirche, die jetzige Stiftskirche, 2 und eingerahmt von den früheren Klostergebäuden, 3 ist er mit dem Klostergarten 4 ein besonders wertvolles Stück aus der Geschichte der alten Reichsstadt Feuchtwangen.

Die Gründungssage, die mit dem Taubenbrünnlein verbunden wird, erzählt, daß Kaiser Karl der Große als Stifter des Klosters Feuchtwangen anzusehen sei. 5

Karl habe in waldreicher Wildnis 6 den Grundstein für das Kloster und damit auch für die weltliche Siedlung gelegt. Diese alte Tradition wurde auch in Urkundentexte aufgenommen 7  und bestimmte die Geschichtsschreibung bis 1887, 8 als der evangelische Theologe und Kirchenhistoriker Albert Hauck daran ging, die erste Auflage seiner „Kirchengeschichte Deutschlands“ 9 zu veröffentlichen. Er wies nach, daß Karl der Große die Klöster wohl gefördert, aber kein einziges selbst gegründet habe. 10 Allerdings ging Hauck davon aus, daß das Kloster, wenn schon nicht von Karl selbst, so doch unter seiner Herrschaft gegründet wurde 11 Man wird jedoch als sicher annehmen könne, daß Karl dem Kloster eine entscheidende Wohltat erwiesen hat, die sein Andenken in Feuchtwangen rechtfertigt. Sein dankbares Gedächtnis pflegten auch noch die Stiftsherren, die Nachfolger der Mönche, bis 1563. 12 Seit den 40er Jahren unseres Jahrhunderts kam man jedoch davon ab, die Gründung des Klosters aus der Wildnis heraus zu vermuten. Es sei aus einem fränkischen Königshof entstanden, 13 der an der Stelle des späteren Klosters gelegen war. 14 Hier kreuzten sich Altwege aus dem Kocher-Jagst-Gebiet nach Herrieden, vom mittleren Main zur Donau und von der Bamberger Gegend ins nahegelegene Ries. 15 Im Jahre 1969 brachte man eine auf die „villa regia“ hinweisende Gedenktafel am vermuteten Eingang zu der Anlage an. 16 Jedoch stehen eindeutige Nachweise noch aus, auch archäologische Funde liegen noch nicht vor, so daß diese Gründungsversion noch mit einem Fragezeichen versehen werden muß. 17 Für den Königshof sprechen die um Feuchtwangen zahlreichen Ortsnamen auf -weiler, 17a wie Banzen-, Poppen, Wolkertsweiler, Weiler am See, Wüstenweiler und das abgegangene Uzenweiler sowie das umfangreiche Königsgut rund um die Stadt als Zeugen vorklösterlicher staatlicher Siedlungstätigkeit. Es wird auch die Meinung vertreten, daß die Zell-Orte um Feuchtwangen (Aichenzell,Bergnerzell, Leiperzell, Seiderzell und das abgegangene Rammerzell) als religiöse Gründungen weltlicher Herren schon vor dem Kloster bestanden. 17b

Sehr beachtenswert sind die Forschungsergebnisse des Erlanger Historikers Professor Helmut Weigel. 18 Er geht davon aus, daß schon wesentlich vor Karl dem Großen in alemannischer Zeit, also ab dem 3. Jahrhundert bis ca. 500, 19 eine Besiedlung Feuchtwangens erfolgt war. 20 Auf „feuchter Aue“ 21 bestand eine alemannische Siedlung mit Zentrum im späteren Marktplatz- und Klosterbereich, und - ähnlich wie in anderen Orten 22 - setzte eine Adelssippe in königlichen Diensten einen „Meierhof“ als Ausstattungsgut für ein Kloster ein. 23 Dieses Kloster gelangte dann später als Reichsabtei in die Verfügungsgewalt Karls des Großen, und an diesen mächtigen Frankenherrscher knüpfte sich die Gründungssage. Für eine Besiedlung unserer Gegend weit vor der vermuteten Klostergründungszeit unter Karl dem Großen gibt es noch andere gewichtige Argumente. 24

Die „Fränkische Landnahme“ war wohl eher eine Durchdringung vorhandener dünner Besiedlung mit fränkischer Organisation und Macht und anschließender Rodungstätigkeit. Als eine Erstbesiedlung. Ähnliches mag auch bereits für die alemannische Besiedlung zutreffen, da die kürzeste Verbindung zwischen den Altsiedelgebieten im Maindreieck und im Ries an der Sulzach entlang, also über Feuchtwangen, verlief.


1) Neuerdings wird Feuchtwangen häufig "Kreuzgangstadt" genannt.
2) Albert HAUCK: Kirchengeschichte Deutschlands, 2. Auflage, Bd 2, Leipzig 1900, S. 568 und S. 797. Hier wird für ca 764 das Patronat St. Martin angegeben. Woher Hauck diese Angabe hat, ist unbekannt. Es ist aber sicher, daß die Bürger der Stadt Feuchtwangen noch 1488 ihren Erbzins jährlich an Martini zum Stift behahlen mußten (Stiftsurkunden. Nr. 345. S. 235. Absatz 34), während für die Landbevölkerung Michaeli der übliche Abgabetermin war. In der Stiftskirche befand sich ein alter Martinsaltar, den ein Vikarier betreute. Um das Jahr 1000 ist alleine aus den "Feuchtwanger Briefen" das Patronat St. Salvator sicher. Als Kirche des späteren Kanonikatstiftes war die Kirche St. Maria geweiht mit der Kirchweih am 1. Sonntag im Mai. Seit der Renovierung der Stiftskirche in den Jahren des 1. Wltkrieges und danach, die am 15. August 1920 beendet wurde, feiert die Gemeinde eine stille Kirchweih am 15. August oder am Sonntag danach. Vgl. FUNK, a.a.O. S. 20 - 23.
3) Man vermutete bisher im Westteil des Kreuzgangs im Fachwerkobergeschoß (jetzt Handwerkerstuben) die Sommerschlafräume der Mönche, im Südtrakt den Speisesall und die Abtswohnung. Vgl. Karl MAY: Der 800jährige Kreuzgang zu Feuchtwangen, in: Heimatkunde. Monatliche Beilage zum "Bayerischen Grenzboten" für Geschichte, Volks- und Heimatkunde im Bezirk Feuchtwangen-Herrieden und dessen näherer Umgebung. Mitteilungen des Heimatmuseums und des Vereins für Volkskunde in Feuchtwangen 7/1934 S. 2. Diese Meinung muß unter Umständen revidiert werden.
4) Im Kreuzgang befand sich früher ein laufender Brunnen. Bei Sanierungsarbeiten wurde 1994 in der südwestlichen Ecke des Klostergartens ein früherer Brunnen freigelegt und erneut abgedeckt. Bis zum Jahre 1533 wurden die Chorherren außer in der Stiftskirche auch im Kreuzgang begraben. Die Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse durch die Ansbacher Markgrafen brachte auch mit sich, daß den Stiftspersonen Begräbnisse im Kreuzgang untersagt wurden. (Staatsarchiv Nürnberg, Repertorium 165 a, Nr. 623, pag. 137 ff.)
5) Johann Georg Hermann BÄRMEYER (Chronik von Feuchtwangen) Gedenck-, Stadt- und Huth-Buch, (Handschrift von 1736 im Stadtarchiv Feuchtwangen, Archivbücherei I 6), S. 96 - 97 f., gibt auf seine eigene Frage, was die schriftlichen Traditionen über die Gründung berichten, folgende Antwort: "Sie zeigen an, daß, alß besagter Carolus Magnus wäre in die gegend kommen sey Er von der Jagd erhizt worden und in ein Fieber gefallen welches bey ihn großen Durst verursacht, alß Er nun fast an die Gegend eines herfürquellenden Bronnens unter dem Dechanat Hauß (heute Haus Zum Taubenbrünnlein 13) kommen, habe Er seinen so heftig empfundenen Durst daselbst gelöscht, und wöre vom Fieber also bald verlaßen worden, dieses habe Carolo zu einem Gelübd bewogen, selbst zur Ehre Mariae der Mutter Gottes ein Kloster und Kirchen zu erbauen, welches Er auch ins Werck gerichtet. Eine bey dem Decanant vorhandene von anfang des 17. Sec. her aufgesezte Beschreibung daraus diese Nachricht gezogen gibt: Carolus sey bey Legung des ersten Steins zu dero Kloster oder Stifts Kirchen auf einem Fiechten Stock geseßen, welcher zu gedächtnis unter den Hauptaltar eingemauert worden, dießen altar habe man ao. 1572 bey der Kirchen Renovation verruckt befunden." Die Bemerkung, daß Karl eine Marienkirche gegründet habe, verweist die Sage in die Entstehungszeit des Stiftes und nicht in die Gründungszeit des Klosters. Der "Fichtenstock" (siehe Bild S. 32), ein verkieselter Baumstamm, wahrscheinlich eine Araukarie, wird heute noch im Westteil des Kreuzgangs gezeigt. Es ist anzunehmen, daß dieser Stein der Rest eines heidnischen Kultplatzes ist. Der Stein  wurde 1572 "unter dem alten Hochaltar" ausgegraben. Christoph Friedrich JAKOBI: Geschichte der Stadt und des ehemaligen Stifts Feuchtwangen. Ein Beitrag zur vaterländischen Geschichte, Nürnberg 1833, S. 2).
Eine andere in Feuchtwangen bekannte Version der Gründungssage erzählt, daß Karl der Große durch eine auffliegende Taube auf die Quelle aufmerksam geworden sei. Deshalb wird der Brunnen heute noch Taubenbrünnlein genannt.
6) Dieses weiträumige Waldgebiet zwischen Ellwangen und Ansbach wurde auch Vircunnia-Wald genannt; vgl. Erich von GUTTENBERG: Stammesgrenzen und Volkstum im Gebiet der Rednitz und Altmühl, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 8/9 1943, S. 55.
7) Dies geschieht erstmals in einem umstrittenen Schirmbrief aus dem Jahr 1209 von König Otto IV. für die Kirche zu Feuchtwangen, "die Kaiser Karl gestiftet hat" (Stiftsurkunden. Nr. 1) und dann in einer Urkunde aus dem Jahr 1284 von König Rudolf in ähnlicher Weise. (ebd. Nr. 2) BÄRMEYER ebd. S. 239, verstärkt die Gründungssage noch durch seine bestimmte Angabe, daß Karl der Große den ersten Abt ernannt habe.
8) Falckenstein, Frieß, Bärmeyer, Jakobi nennen als Zeit der Klostergründung durch Karl den Großen die Jahre von 792 bis 810. Zu Beginn dieses Zeitraums war Karl mit der Fossa Carolina, dem Versuch eines Kanalbaus zwischen Altmühl und Schwäbischer Rezat, der die Flußsysteme von Donau und Main verbinden sollte, beschäftigt und dürfte sich auch in unserer Gegend aufgehalten haben. (Annales regni Francorum. Jahr 793. S. 92 f.)
9) Hauck, ebd. S. 797.
10) Philibert Schmitz: Geschichte des Benediktinerordens. Bd. 1. S. 94., Schaudig: Geschichte der Stadt Feuchtwangen. S. 3.
11) Hauck: Kirchengeschichte Deutschlands. S. 568. Hier nimmt Hauck die Begründung heran, daß im Reichenauer Verbrüderungsbuch von 824 (siehe S. 15 der vorliegenden Arbeit) zwei Feuchtwanger Äbte aufgeführt sind. Durch Zurückrechnung gelangt er in die Zeit Karls des Großen.
12) An und in der Stiftskirche befanden sich Darstellungen Karls. Zwei davon sind noch vorhanden, nämlich in der Portalvorhalle ein Wandgemälde des Kaisers und links im Chor auf einer Konsole die Holzfigur Karls als Kirchenstifter. Sein Geburtstag wurde feierlich begangen, und in der Kirche gab es einen Karlsaltar sowie eine Karlsvikarie. (Die "Stiftsurkunden" bringen unter Nr. 23 ein Regest der Stiftungsurkunde der Vikarie. Sie wurde, wahrscheinlich auf einem schon vorhandenen Altar, erst 1334 begründet. Das "3. Pfarrhaus" (Am Kasten 3) war das entsprechende Vikarierhaus "S. Caroli", das also auch ehute noch im Dienst der Kirche steht.)
Das von einer adeligen Sippe gegründete Kloster Metten in Niederbayern erfuhr durch Karl den Großen eine derartige Förderung, daß man ihm auch in diesem Fall die Gründung des Klosters zuschrieb. (Hemmerle: Die Benediktinerklöster in Bayern. S. 143.)
13) Schaudig (Geschichte der Stadt Feuchtwangen. S. 3.) schrieb 1927, als er seine Chronik veröffentlichte, noch nichts von einem Feuchtwanger Königshof und begründete die mögliche Anwesenheit Karls in Feuchtwangen mit der Nähe des fränkischen Königshofes Königshofen an der Heide. Erstmals 1940 und 1942 wurde ein Königshof Feuchtwangen vermutet. (Heckel: Die Urpfarrei Feuchtwangen als kirchliche politische Metropole im oberen Wörnitz- Sulzachgebiet zur Frühzeit; derselbe: Ursprung der Stadt Feuchtwangen). Auch Dinkelsbühl beanspruchte erst seit 1934 (Kraft: Königshöfe in Franken. S. 4) und 1942 (Neeser: Die frühgeschichtliche Königshofsiedlung Dingoltsbuhel.) einen Königshof. Als spätere Vertreter der Theorie eines vorklösterlichen Königshofes als Verwaltungsmittelpunkt in Feuchtwangen sind vor allem Bayerlein und Funk zu nennen.
14) Es handelt sich in erster Linie um das Gebiet zwischen der Unteren Torstraße, der Stadtmauer und der Hindenburgstraße.
15) Funk: Feuchtwangen. S. 41 - 43.
16) Diese Tafel befindet sich am Gebäude des ehemaligen Gasthauses mit Brauerei zum Schwarzen Adler, Untere Torstraße 8.
17) Schnurrer schreibt im "Bayerischen Städtebuch" von 1971 auch, daß ein Königshof nicht eindeutig nachgewiesen ist. (S. 198. Nr. 5a.)
17a) siehe Karte s. 118; Funk: Feuchtwangen. S. 44 f.
17b) siehe Karte s. 118; Vortrag von Baron Freytag von Loringhoven am 18.10.1979 vor dem Evangelischen Bildungwerk in Feuchtwangen.
18) Weigel: Der alamannisch-fränkische Grenzraum. S. 1 ff.
19) Seit dem Sieg Chlodwigs im Jahr 496 über die Alemannen hatten die Franken Einfluß in deren Gebiet, aber erst 742 (Annales regni Francorum. S. 4f.) war das Stammesherzogtum Alemannien völlig unter fränkischer Herrschaft. Als die Franken kamen, war die Feuchtwanger Gegend also schon besiedelt. Man könnte die Einwohner "verfrankte Schwaben" nennen. (Karl Bosl in einem Festvortrag am 26. Februar 1983 in Herrieden. Sieh Gläßer: 1200 Jahre Herrieden. S. 10.)
20) Der Verbindungsweg des alemannischen Gebiets um Augsburg mit dem bis Chlodwig ebenfalls alemannischen Würzburger Berich führte über Feuchtwangen. (Weigel: Der alamannisch-fränkische Grenzraum. S. 9.)
21) Mehrere Forscher setzen den Beginn der durchgehenden Besiedlung sogar vor die alemannische Zeit an. Anhaltspunkte dazu gaben nach Bahlow (Deutschlands geographische Namenwelt. Passim) Ortsnamen wie Mosbach, Larrieden, Ungetsheim, Dürrwangen, Reichenbach. Siehe auch Gläßer: 1200 Jahre Herrieden. S. 8. Auch der Name Feuchtwangen selbst kann für eine Besiedlung schon vor alemannischer Zeit sprechen.
22) Folgende Klöster in der unmittelbaren Nachbarschaft wurden ebenfalls von Adeligen bzw. von Adelsfamilien gegründet: Ansbach um 750, Ellwangen 764 (Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern. Bd. 22. S. 224 - 235.), Herrieden vor 782. Auch das Kloster oder Stift in Unterregenbach bei Langenburg an der Jagst wird durch ein Geschlecht der fränkischen Reichsaristokratie errichtet worden sein. Soche Gründungen legten sich wie ein Netz über Süddeutschland. (Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern. Bd 24. S. 203.)
23) Hemmerle (Die Benediktinerklöster in Bayern. S. 15) bezeichnet das Feuchtwanger Kloster als "Sippenkloster". Die zahlreichen Frauennamen im Reichenauer Verbrüderungsbuch finden so eine zwanglose Erklärung.
24) So mögen folgende Ortsbezeichnungen bei Feuchtwangen vorchristlich sein: Heilbronn östlich, Heiligenholz nördlich, Teufelsstein (z. B. Staatsarchiv Nürnberg. Repertorium 165 a Nr. 602. Blatt 79) südöstlich und vielleicht auch die "Drutenbeume" westlich der Stadt. (Staatsarchiv Nürnberg. Repertorium 122.) In dem Namen Heiligenholz zum Beispiel ist das Andenken an einen Wald bewahrt, den das Volk nicht nutzen durfte, sondern der dem Dienst der Götter vorbehalten war. Zum Vergleich. Am Teufelsstein nahe Rödersdorf bei Rothenburg ob der Tauber wird ein mittelsteinzeitlicher Rastplatz, vielleicht auch eine Kultstätte, angenommen (Dannheimer: Rothenburg o. T. S. 122f).
Erstellt: 12.3.1998 - letzte Änderung am 2.2.2000 durch Hans Ebert
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