Band 4
Inhaltsverzeichnis
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Grundherrschaften und andere Hoheitsrechte im Bereich des markgräflichen Oberamts Feuchtwangen im Jahr 1732
von
Dietrich Weiß



Hochgerichtsbarkeit
Vogteiliche Gerichtsbarkeit
Die Grundherrschaft

Das "... Wesen des Staatlichen im Franken des ausgehenden Alten Reiches muß verstanden werden als Bündelung vielfach abgestufter Hoheitsrechte, die unter wechselnden machtpolitischen Gesichtspunkten über mittel- und unmittelbare Untertanen in grundherrlicher Gemengelage geübt wurden." 1  In einer Ortsflur konnten nebeneinanderliegende Anwesen bzw. Grundstücke im 18. Jahrhundert im Eigentum verschiedener Grundherrn stehen. So gehörte zum Beispiel die Grundherrschaft über die 19 Anwesen von Steinbach bei Feuchtwangen im Jahr 1732 zum Markgraftum Brandenburg-Ansbach (6 Anwesen), zum Hochstift Eichstätt (6 Anwesen), zur Reichsstadt Dinkelsbühl (4 Anwesen) und zu den drei Rittergütern Assumstadt/Züttlingen, Thann und Wiesethbruck (je 1 Anwesen). Da die Feld- und Waldgrundstücke dieser Anwesen in Gemengelage über die Ortsflur verteilt waren, könnte nur eine Karte, auf der jedes Flurstück in der Farbe seines Grundherrn verzeichnet ist, ein genaues Abbild der damaligen Zustände darstellen. Jede Karte eines über die Fläche einer alten Ortsgemeinde hinausgehenden Gebietes zeigt damit notgedrungen eine Vereinfachung. In Franken existierten keine geschlossenen Territorien. Staaten im heutigen Sinn mit festen Grenzen gab es nicht, wohl aber fest umgrenzte Sprengel der


Hochgerichtsbarkeit:

Im 16. und 17. Jahrhundert wurden deren Grenzen durch Verträge und auch durch Versteinungen festgelegt. 2 Sie umfaßte jedoch nur die sogenannte peinliche Gerichts- oder Halsgerichtsbarkeit, von der schwere Verbrechen geahndet wurden, die an Hals und Hand gingen, das heißt, die mit dem Tod oder Verstümmelungen bestraft wurden. Dazu gehörten vor allem Mord und schwerer Diebstahl. Ein solches Halsgericht hatte seinen Sitz in Feuchtwangen; die Gerichtsstätte, das Hochgericht, befand sich ab 1570 oberhalb der Siedlung Weiherlache am Galgenberg. 3
 
 

Der Hochgerichtsbezirk Feuchtwangen
und seine Nachbarn

Der Bereich des markgräflichen Hochgerichts Feuchtwangen, auch Fraisch genannt, deckte sich mit dem Bezirk des Oberamts Feuchtwangen. Er erstreckte sich von Gailroth und Grimmschwinden in der heutigen Gemeinde Schnelldorf bis nach Mörlach westlich Ornbau, heute Markt Bechhofen, und von Dombühl und Weinberg im Norden bis an die Wörnitzbrücke von Dinkelsbühl im Süden. Die Grenzen dieses Gebietes waren mit den Nachbarn vertraglich festgelegt. 4 Innerhalb des Feuchtwanger Hochgerichtsbezirks hatten vier andere Landesherrschaften eigene kleine Fraischbereiche, so das Hochstift Eichstätt für sein Oberamt Wahrberg-Herrieden innerhalb des Dorfes Weinberg, der Graf von Oettingen-Spielberg im Markt Dürrwangen, der Graf von Hohenlohe-Bartenstein innerhalb des Dorfes Schnelldorf und eines kleinen Teils der Ortsflur und der Graf von Hohenlohe-Schillingsfürst in der gesamten Gemarkung Wildenholz. Die Freiherren von Knöringen besaßen unangefochten die Fraisch in Kreßberg und Marktlustenau, jedoch nicht in ihren übrigen grundherrlichen Besitzungen.


Vogteiliche Gerichtsbarkeit:

Nicht erfaßt von der Hochgerichtsbarkeit wurden alle "geringeren Verbrechen" und Frevel, die im 18. Jahrhundert zur Niedergerichtsbarkeit der Vogtei, zur vogteilichen Gerichtsbarkeit, gehörten. Sie erfaßte alle strafrechtlich kleineren Delikte gegenüber Personen und Eigentum sowie die gesamte Rechtsprechung in streitigen und freiwilligen Zivilsachen. Dies alles stand den Grundherren auf den ihnen in einem Dorf gehörenden Anwesen und den dazugehörigen Feld- und Waldgrundstücken zu.

Die vogteiliche Gerichtsbarkeit auf dem genossenschaftlichen Besitz der Gemeinden, auf den Wegen und Hutungen zum Beispiel, fiel im allgemeinen dem im Dorf meistbegüterten Grundherrn zu. Man nannte sie Dorf- und Gemeindeherrschaft. Mehr und mehr setzte sich die Einengung der vogteilichen Gerichtsbarkeit der übrigen Grundherrn auf den Grundbesitz "inner Etter", der innerhalb der üblichen Dorfumzäunung oder bei Einzelhöfen der Hofeinfriedung gelegen war, oder sogar nur noch auf das Haus selbst, durch.

Dorf- und Gemeindeherrschaft bedeutete also die Herrschaft des Herrn, der die vogteiliche Gerichtsbarkeit auf den Wegen und häufig auch auf Feld und Flur ausübte, weil der überwiegende Teil des Ortes seiner Grundherrschaft unterstand.


Die Grundherrschaft:

Grundherrschaft war Herreneigentum an Grund und Boden, die Herrschaft über die Grund und Boden bestellenden Leute und die daraus resultierende Wirtschaftsform. Sie hatte zwei Wurzeln, eine germanische und eine römische. Die germanische Grundherrschaft wurde von den Forschern lange bestritten. Auch aus ideologischen Gründen nahm man bei den Germanen Gemeineigentum mit einem großen Anteil an freien Leuten an. Es ist nun wohl erwiesen, daß es zur germanischen Zeit eine zahlenmäßig kleine Großbauernschicht mit adeligen Zügen gab, auf deren Höfen Abhängige arbeiteten. Dazu gab es eine weitere Schicht freier Bauern, denen es nicht gelang, sich auf die Stufe der Großbauern, die im Thing das alleinige Rederecht hatten, zu erheben. Die germanische Grundherrschaft selbst wurzelte vor allem in der Mund (auch Munt oder Hausherrschaft), die die umfassende Gewalt des Hausherrn über Frau, Kinder und Gesinde bedeutete. Die wichtigste Aufgabe des Mundherrn 5 bestand im Schutz der seiner Mund unterworfenen Leute und deren Vertretung vor Gericht.

Außerdem leitete sich die mittelalterliche und neuzeitliche Grundherrschaft von der spätrömischen Gutsherrschaft ab, die sich rechtlich auf das Eigentum am Boden stützte.

Ein Teil des in einer Grundherrschaft vereinigten Grund und Bodens wurde meist durch einen Betrieb bewirtschaftet, der Fronhof genannt und häufig von einem Meier geleitet wurde. Größere Grundherrschaften hatten einen zentralen Oberhof mit oft vielen Nebenfronhöfen. Der weitaus größte Teil des Grund und Bodens war jedoch in Hufen 6 eingeteilt, die an unfreie, abhängige Bauern, an Grundholden, 7 zur selbständigen Bewirtschaftung ausgegeben waren. Dies galt auch für Grundherrschaften auf Königsgut, wo der Königshof der Fronhof war und ebenso für Klöster. In Brief 12 der Feuchtwanger Briefe des Mönches Froumund (991 bis 995) wird Feuchtwangen als "locus" bezeichnet. Um das Jahr 1000 bedeutete dieses Wort einen grundherrschaftlich organisierten Bezirk um einen Zentralhof. 8

Beim Adel kamen auch Kleingrundherrschaften vor, die reine Rentengrundherrschaften ohne Fronhof waren. Der Boden war ganz an unfreie Bauern ausgegeben, wobei der Grundherr vollkommen von deren Abgaben abhängig war.

Unter den Karolingern wurde der größte Teil der freien Bauern, denen es nicht gelungen war, zu großen Grundherrn aufzusteigen, aufgesogen. Aus ihnen und den schon erwähnten unfreien Bauern entstand ein einheitlicher vom Grundherrn abhängiger Bauernstand. Da er nach dem Hofrecht des Grundherrn lebte, hatte er ihn auch meist zum Gerichtsherrn. Dieses Hofgericht bedeutete die Gerichtsbarkeit über die Grundholden eines Grundherrn oder eines Fronhofbezirkes bei größeren Grundherrschaften. Es wurde seltener vom Herrn selbst ausgeübt, sondern meist durch den Meier verwaltet. Schöffen aus den Reihen der abhängigen Bauern wirkten mit.

Grundholden einer kirchlichen Grundherrschaft, z.B. einer Pfarrkirche, eines Klosters oder Stifts, wurden durch einen meist adeligen Vogt gerichtet und unterstanden dessen Schutzherrschaft. Kirchliche Organisationen sollten sich, wie man aus einem Bibelwort ableitete, 9 weltlicher Geschäfte enthalten, die vom Vogt übernommen wurden. Grundstücke und Höfe der von einer Kirche abhängigen Bauern waren also im allgemeinen vogtbar.

Die "vogtbaren" Güter wurden vermutlich in karolingischer Zeit aus Reichsbesitz an das damalige Kloster in Feuchtwangen gegeben. Die als "unvogtbar" geführten Güter wurden aus freieigenem Besitz erworben. 10

Das an die Bauern ausgegebene Land wurde im Lauf der Zeit erblich, oft auch der vom Meier verwaltete Fronhof. Eigentümer (Lehensherr) war aber weiterhin der Grundherr. Beim Übergang von der Natural- zur Geldwirtschaft, der sich seit dem 12. Jahrhundert intensivierte, wurden die Abgaben der Bauern in Geld fixiert. Durch Geldentwertungen stellten sich diese wirtschaftlich immer besser, wogegen es der Grundherrschaft häufig schlechter ging. Der Herr mußte sich nun andere Einkünfte sichern.

Bei uns "versteinerten" die bestehenden Besitz- und Abgabenverhältnisse. Es gab bis ins 16. Jahrhundert viele kleine Grundherrschaften des niederen Adels. Die abhängigen Hintersassen lebten nach dem Erbzinsrecht, sie bewirtschafteten als Lehensbauern in Form der Erbzinsleihe ihre Besitztümer. Das Be- und Entsetzungsrecht wurde vom Grundherrn kaum ausgeübt. Großen Grundherrschaften gelang es, im Laufe der Zeit alle Grunduntertanen unter ihre eigene Hochgerichtsbarkeit zu bringen. Den ab dem 14. Jahrhundert auch um Feuchtwangen immer wichtiger werdenden Burggrafen von Nürnberg wurde dies durch das Fürstenprivileg vom 17.3.1363 zugestanden. 11 Diese Entwicklung führte dazu, daß innerhalb des Oberamts Feuchtwangen im 18. Jahrhundert fast alle Hintersassen der Markgrafen deren Hochgerichtsbarkeit unterstellt waren. Nur die 10 ansbachischen Untertanen in Weinberg unterstanden der des Hochstifts Eichstätt. 12

Den anderen Grundherren blieb das Recht, Abgaben zu fordern. Es gab Grundrenten und Zinsen für die Bewirtschaftung des Gutes und eine feststehende Gült. Dazu kamen Fronden, das waren Arbeiten für den Grundherrn, später Hand- und Spanndienste genannt. Außerdem stand ihm häufig das Hauptrecht, der Sterbfall, zu: Beim Tod des Lehensbauern hatten die Hinterbliebenen meist das beste Stück Vieh, manchmal auch das beste Gewand, abzugeben. Eine wichtige Einnahmequelle für die Grundherrschaft blieb der sogenannte Handlohn. Es handelte sich dabei um eine Abgabe bei Besitzänderungen. 5 bis 20 Prozent des Kapitalwertes des Gutes mußten an den Herrn abgegeben werden. Im Feuchtwanger Bereich gab es aber auch viele handlohnfreie Güter.

In den Dörfern vertraten Schultheißen als Vertrauensleute ihre Grundherrschaft. So hatte das Stiftsverwalteramt Feuchtwangen einen Schultheißen in Brettheim innerhalb des Hochgerichtsbarkeitsbezirks der Reichsstadt Rothenburg ob der Tauber, der die Interessen des Amts gegenüber seinen Lehensbauern im sogenannten "Stiftsämtlein" Brettheim vertrat. Diese Schultheißen, von denen es an einem Ort ohne weiteres mehrere für die Lehensleute der verschiedenen Grundherrschaften geben konnte, hatten nichts mit den Dorfmeistern der bäuerlichen Selbstverwaltung zu tun.


1) Hofmann: Mittel- und Oberfranken am Ende des Alten Reiches (1792). S. 2.
2) Röttel: Das Hochstift Eichstätt. In diesem Werk sind alle noch erhaltenen Grenzsteine zwischen dem Oberamt Feuchtwangen und den eichstättischen Oberämtern Wahrberg-Herrieden und Arberg-Ornbau verzeichnet.
3) Hörber: Das Geschworene Hochgericht zu Feuchtwangen. Die in diesem Aufsatz vertretene Ansicht, daß die ehemalige Richtstätte an der Stelle der kleinen Anlage "Fürstruhe" (Flurstücksnummer 1938/2) gelegen habe, ist unrichtig. Das Hochgericht befand sich weiter nordwestlich zwischen den Äckern "Vor dem Hochgericht" (Nr. 1938) und "Hinter dem Hochgericht" (Nr. 1939).
4) siehe Kartenskizze!
5) Vergleiche den Begriff Mündel, der eine unter Vormundschaft stehende Person bezeichnet.
6) Hufen waren innerhalb einer Gemarkung ungefähr gleich, sonst jedoch von sehr verschiedener Größe.
7) Der mittelhochdeutsche Begriff "der holde" bedeutet soviel wie "treuer Diener".
8) Wünschenmeyer, Mühling, Weiß: Die Feuchtwanger Briefe des Mönches Froumund aus dem 10. Jahrhundert. S. 98 u. 58f.
Bosl: Gesellschaftsentwicklung im Zeitalter der Merowinger und Karolinger. S. 727.
9) 2. Timotheus, 2, 4: "Kein Kriegsmann verstrickt sich in Sorgen des alltäglichen Lebens, auf daß er gefalle dem, der ihn geworben hat." Daraus wurde abgeleitet, daß "Kriegsleute Gottes", also Geistliche, sich von weltlichen Geschäften fernhalten sollten.
10) In diesem Absatz gebe ich Überlegungen von Fritz Wünschenmeyer und Hans Ebert, Feuchtwangen, wieder.
11) Dadurch wurde Burggraf Friedrich V. (1357-1397) von Karl IV. zum Reichsfürsten erhoben. Siehe Schuhmann: Die Markgrafen von Brandenburg-Ansbach. S.8.
12) Vettersche Beschreibung des Oberamts Feuchtwangen. S. 125.

Erstellt: 1994 durch Dietrich Weiß - letzte Änderung am 6.2.2000 durch Hans Ebert
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