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Gedenck-, Stadt- und Huth-Buch
(Chronik der Stadt Feuchtwangen)
Stadtarchiv Feuchtwangen - Archivbücherei I, 6
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Johann Georg Hermann Bärmeyer
Handschrift von 1736 (Abschrift)
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Zum X., XI., XII. und XIII. Jahrhundert

Kapitel XX

Von erlangter Obrigkeit oder bürgerlichen Regiments der Städte des Reichs und wie sie zu der Ottonen Zeiten aus allzu großer Milde an die Bistümer, Abteien und Praelatiern kommen, warum ihnen solcher obrigkeitlicher Gewalt nachmalen wieder genommen und den Reichsstädten gegeben worden?

§ 1

Waren die Reichsstädte zu Zeiten der fränkischen Kaiser frei?

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Nein! Zu Zeiten der fränkischen Kaiser und Könige ist keine Reichsstadt frei gewesen, noch weniger die Reichsflecken oder Reichsdörfer. Lehmann Speyrische Chron. p. 272.

§ 2

Wann haben die Reichsstädte die Befreiung bekommen?

Die Befreiung der Reichsstädte haben ihren Anfang genommen nach der Ottonen Regierung, von welchen und deren Nachkommen im Reich der Fürsten, Grafen, Herren und der Städte Freiheit entsprossen und zugenommen. Lehmann pag. 272.

§ 3

Mit was für Unterschied sind die Reichsstädte von der Reichsoffizier-Regierung ledig geworden?

335 Einige Städte haben sich von der Kaiser und Könige Regierung ledig gemacht, andere haben sich von der Fürsten und Herren geistlichen und weltlichen Jurisdiktion und Gehorsam frei gemacht, entweder durch Kriegsgewalt, dass sie die Kaiser abgenommen und dem Reich zugewendet, durch Geld oder andere Mittel oder gewisse Bedingung demselben zugeneigt. Welche Stadt nun zuerst die Kaiser und Könige der Herzöge, Grafen oder anderer derselben Beamten Regierung und Verwaltung in öffentlicher Versammlung der Fürsten und Stände des Reichs und mit derselben Belieben enthebt und entledigt, die sind der Eigenschaft der Reichsstädte benommen und aus Reichsstädten zu kaiserlichen freien Reichsstädten geworden.
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§ 4

Wie stand es zu Zeiten der sächsischen Kaiser, der Ottonen, mit den Reichsstädten?

Als Kaiser Otto Magnus die Exempla vor Schenkung und übermäßige Milde gegen die Kirchen und Stifte seiner Vorfahren, Königs Pipini, Caroli M. und Ludovici Pii und dass sie oft bis in Himmel erhoben worden, gehört, hat er seine Gedanken dahin gerichtet, durch welches Mittel er es den Karolingern an der Milde nicht nur gleich, sondern es noch bevor tun wollen, hat den geistlichen Stand mit weltlicher obrigkeitlicher Gewalt groß und ansehnlich gemacht, die Bischöfe zu Regenten und Obrigkeiten in die Länder und Städte eingesetzt, dass er das Ansehen bei den weltlichen Fürsten und Grafen

337 gewann, dass sie entweder Geistliche wurden oder ihren fürstlichen und hohen Stand viel schmeidiger müssen einziehen. Hieraus sind zwischen den Geistlichen und Weltlichen unversöhnliche Verbitterung entstanden und hat die den Bistümern, Stiften und Klöstern von Ottone Mag. während seiner von anno 936 bis 973 gedauerten Regiments eingeräumte große Gewalt und Milde die gute Absicht nicht erlangt, welches Kaiser Heinrich der Heilige, der von anno 1002 bis 1024 und dessen Nachfolger im römischen Reich Conradus Salicus II von 1024 bis 1039 regierte, gar zeitlich wahrgenommen, indem die Geistlichen den Weltlichen eingegriffen, Land und Leute an sich gezogen.

§ 5

Wie lang dauerte die Gewalt und die Herrschaft der Bischöfe, Äbte und Praelaten in den Reichsstädten?

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Der obrigkeitlichen Gewalt der Bischöfe, Äbte und Prälaten in den Reichsstädten und Flecken dauerte etwa von dem großen Kaiser Ottone an bis an die Zeit Henrici IV. nämlich von 936 bis 1056.

§ 6

Was war die Ursache, dass den Bischöfen ihre in den Städten gehabte Gewalt und obrigkeitliche Macht, so sie von den Ottonen erhalten, wieder entrissen worden?

Beim Lehmanno p. 278 werden derselben vielerlei Ursachen angeführt, was die Kaiser bewogen, dass sie die Regierung der Städte und des Landes wieder zu sich gezogen und nach der alten Manier gerichtet und bestellt und sich unter anderen vornehmlich diese, dass die Geistlichen, Bischöfe und Äbte zu der Ottonen Zei-

339 ten mit zu Feld gehen müssen, welches dem bischöflichen Amt gar nicht gemäß den Feind mit dem Schwert zu bestreiten, so nachher verabscheut und von den Nachfolgern der Ottonen im Reich eine Änderung darinnen vorgenommen worden, dass sie, die Bischöfe, die Gewalt und weltliche Macht nicht dem Reich, Kaisern und Königen zu Nutzen und Vermehrung ihres Wohlstands, sondern zu derselben Schwächung und Verderben missbraucht, die Reichsstädte, darinnen sie gesessen, für ihre eigenen Städte gehalten und sich ihrer Gewalt erhoben, den Königen und Kaisern ihre Gerechtigkeit nicht mehr vestatten wollen, dass sie die Reichsversammlung darinnen gehalten. Dann haben die Übergabe der Länder und Städte des Reichs die folgenden Kaiser nach den Ottonen
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für eine Entblößung und Verarmung des Reichs angesehen, wie dann Kaiser Heinrich IV., welcher von anno 1056 bis 1106 regierte, die Worte ausgestoßen, dass die Geistlichen des Reichs Güter inne hätten und er deswegen in Armut geizen müsse. Es befindet sich auch, dass die Verwaltung der Grafen oder Praefectorum wieder in Städten eingeführt, die Gerichte von denselben bestellt, die königliche Kammer Gefälle zum Fiskus gezogen und hiermit die milden Privilegien der Ottonen in den Stiften kassiert, vernichtigt und aufgehoben worden.

§ 7

Wann erlangten denn die Städte des Reichs die obrigkeitliche Gewalt, die bürgerlichen Regimenter?

Nachdem die hochschädlichen Spaltungen und Kriege im Reich anno 1073 zwischen Kaiser Heinrich IV. an einen und den Bischöfen und Herzögen in Sachsen, Bayern und Schwaben angezündet und

341 daraus langwierige große Kriege entstanden, haben die Städte am Rhein insbesondere sich gegen den belästigten Kaiser getreu und behilflich verhalten, dahingegen die weltlichen Fürsten die freie eigene fürstliche Gewalt, die sie von seinen Vorfahren am Kaisertum empfangen, dass gl. die Bischöfe ihre Macht wider den Kaiser und andere Verwandte, solche auf rechte untertänigste Hilfe, Huld, Treue und Beistand der Städte haben, die Könige und Kaiser beherzigen und dem Reich und ihren Nachfolgern an demselben insonders fürträglich Nutzen und gedeihlich und zu Erhaltung ihrer kaiserlichen Hoheit gemäß erachtet, so sie die Städte gleicher Gestalt, als die Fürsten aller Freiheit der Regierung teilhaftig machen, haben auch solch ihr Vorhaben nach Gelegenheit auf allgemeinen Reichsversammlungen den Fürsten und Städten des Reichs eröffnet und in derselben Bewilligung
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die bischöflichen Reichsstädte, als Köln, Mainz, Worms, Straßburg, Basel und andere am Rhein, der ersten Eigenschaft, deren sie zuvor unterworfen gewesen, nämlich der Regierung der Herzöge, Grafen und Präfektoren oder die derselben Stadt und Verwaltung getragen allerdings ledig gezählt, als dass sie keinen oberen oder Herren in weltlicher Regierung erkennen und wissen, dann die kaiserliche Majestät das Obristenhaupt des ganzen Reichs und alle derselben Häupter und Glieder durch diese Befreiung, sind die Obrigkeiten an der Grafen und Herren Ort der Regierung subliniert und eingesetzt und haben in den Städten die Bürgerschaften freie Macht und Gewalt aus der gemein taugliche Personen aus ihren Mitgliedern und Bürgern zu
343 erwählen, die das Regiment führen, welches zuvor den Grafen mit zu tun der Richter und Schöffen des Gerichts gebührt und durch solche Wahl tragen sie ihren Bürgermeister oder wie ihre Obrigkeit Namen haben, samt dem Rat allen die Gewalt auf den zuvor ein Graf oder obrister Offizier des Kaisers und des Reichs genossen verwaltet und von Zeit solcher Befreiung hat man in den Städten durch erwählten Rat, Bürgermeister Ammeister, Städtmeister oder Stadtpfleger, das Regiment zu bestellen angefangen, dergestalt, das die Bürger und Untertanen zu ihrer Obrigkeit eines Rats Gebot und Verbot hoch und nieder sitzen und dieselben was zu derselben Wohlfahrt und Aufnehmen dienlich, verwalten. 
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§ 8

Was ist den Städten durch diese Befreiung für eine Macht und Gewalt zugewachsen?

Diese, dass sie in ihren Städten alle freien Leute zu Bürgern annehmen mit Gehorsam, Eid und Pflicht beladen. Vernünftige heilsame Gesetze und Ordnungen zum Wohlstand und Verbesserung ihrer Stadt machen und derselben Folge und Gehorsam zu gebieten.

Die Verbrecher ihrer Stadt und Botmäßigkeit zu inhaftieren nach Beschaffenheit der Folter examinieren zu lassen und ihrer Überfahrung gemäß an Hab und Gut, Ehr, Glimpf, Leib und Leben zu bestrafen.

Item mit anderen des Reichs, Kurfürsten, Grafen, Herren und Städten sich in Bündnis zu des Reichs und

345 ihrer eigenen Nutzen einzulassen. Dann haben die freien Reichsstädte auch die Gerechtigkeit erlangt, dass ein Rat die Gerichte und andere in den Städten notdürftige Beamten und Stadtdiener setzen, solche Dienste bestellen, doch alles mit den Personen, die ihnen mit bürgerlichen Pflichten verbunden. Die Schickung zu den Reichsversammlungen sind auch den Städten und Räten gänzlich aufgetragen worden, dass sie allein von römischen Kaisern und Königen auf alle und jede Reichsstädte mit und neben anderen Reichsständen, Kurfürsten, Fürsten, Prälaten, Grafen und Herren beschrieben und berufen werden, mit ausgedrückter Maß mit und neben anderen Reichsstädten raten und schließen zu helfen. Es ist auch den Städten durch die Vor-
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angeführte Befreiung Kaiser Heinrichs IV. und V. in der Zeit von 1056 bis 1125 an und in nachfolgenden Zeiten von den darauf kommenden Kaisern Friderico I., Friderico II., Rudolpho, Ludovico Bavaro, Carolo 4to und Wenzeslao bis auf die Zeit 1400 diese Eigenschaft mitgeteilt worden, dass alle Gefälle als Umgeld, Accis, Steuer, Frevel, Bann-vfennig, Bettgelder und dergleichen so zu vor der Königen und kaiserlichen Kammer zugestanden, denselben durch königliche und kaiserliche Milde mit Rat der Fürsten des Reichs zu der Stadt aufnehmen, Wohlfahrt und Gedeihen zu geeignet und übergeben.

Wobei zu merken, dass die Städte am Rhein die angeführte Befreiungen im 11. und 12. Jahrhundert also früher und

347 zeitiger erlangt, als die fränkischen und schwäbischen Städte, die ihre Befreiung, meistens erst unter Friederico II., Rudolpho, Ludovico Bavaro, Carolo 4to und Wenzeslav bekommen haben.

§ 9

Haben die Bischöfe, Prälaten und Äbte in großen und kleinen reichsfreien Städten und Orten nicht nachher getrachtet, die von den Kaisern Otto dem 1., 2. und 3ten erlangte Freiheiten der weltlichen Verwaltung wieder an sich zu bringen?

Ja, den angeregten Verlust der weltlichen Verwaltung des Regiments haben viele Bischöfe und Prälaten in folgenden Zeiten mit Gewalt und Kriegsmacht zu bestreiten unterstanden und hieran

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nichts an dem, was dazu gehörig sich bethaidren lassen, bevorab wenn das Haupt in Unvermögenheit gesetzt und der Adler seine Flügel entblöst, dass man den Städten keine Hilfreichung, Tun und bei gegebener Gerechtigkeit und Freiheit schützen könne. Bei den höheren Ständen auch der Kaiser Ansehen gefallen, wie zu Zeiten Königs Philippi, Ottonis IV., Heinrich VI., Wilhelmi und Richhardi, nämlich in der Zeit von 1199 bis 1259 und in folgenden Zeiten geschehen diejenige freie Reichsstädte um die der Macht genügsam gewachsen und sich bei dem was ihren Kaiser, König und Stände des Reichs mildiglich erteilt, selbst schützen und verfechten könne, denen sind benamten Freiheiten vollkommen ungeschmälert und unverletzt verblieben,
349 diejenigen aber, so damals dem Gewalt zu schwach oder bei geschwinden Anschlägen ihre Schanz übersehen, denen hat man ihre Freiheiten und Gerechtigkeiten merklich beschnitten und geschmälert, dieses bezeugen die Historici insgemein.

Erstellt: 22.10.2005 durch Hans Ebert

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