Band 1
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Übersicht Briefe
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Lateinischer Originaltext


Brief 2

Der Feuchtwanger Klostervorsteher Wigo schildert seine Mühe und Plage im Kloster einem Abt Theoderich, vielleicht dem ehemaligen Feuchtwanger Abt, der sich in eine Einsiedelei zurückgezogen hat. 5 Möglicherweise war seine Entsagung nicht freiwillig, sondern sie erfolgte im Zuge der Reformen durch Tegernsee. 6 Der Brief ist von der Hand Froumunds geschrieben.
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Dem Abt Theoderich, dem eifrigsten Freund des Einsiedlerlebens, entbietet Wigo, der unwürdige 7 Verwalter des Klosters unseres Herrn, des Erlösers, ungeheuchelt seine Unterwerfung im frommen Gehorsam.
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Wir können nicht verhehlen, daß die Lasten sämtlicher Geschäfte uns von allen Seiten zu Müh und Arbeit aufgeladen werden. Euerem väterlichen Mitleiden wollen wir dies nicht verheimlichen, denn wir erbitten den gewohnten Trost Eueres Mitempfindens, den Ihr uns hoffentlich nicht entziehen werdet. Unlängst haben wir die Brüder unseres Klosters besucht und brachten unseren Bruder, 8 der uns von dort zu unserer Hilfe zugestanden wurde, mit zurück. Unser Abt wollte dieses Zugeständnis zunächst nicht machen. Deswegen und wegen all der Dinge, von denen wir wohl wissen, daß sie Euch aus der Erfahrung eigenen Bemühens bestens bekannt sind, haben wir uns bei unserem Abt beklagt.Uns fehlt der Trost eines Bruders, der uns die vielerlei lästig auf uns liegenden Beschwernisse erleichtert. Der eine ist ständig krank und der andere mit mancherlei anderen Aufgaben so beansprucht, daß dem alleine Geschäftigen nicht eine kleine Erholungspause gegönnt werden kann. 9 Alle Klosterschlüssel trage ich selbst rundum klirrend an meinem Gürtel. Obendrein muß ich jeder Störung der gewohnten Ordnung behutsam zuvorkommen. Bald muß ich mich um eine Brotzeit kümmern, bald den Köchen Anweisungen geben, zuweilen bin ich für Erfrischung zuständig, 10 aber immer muß ich allen Hausgenossen, die gerade darinnen weilen, wie auch den Gästen, die unvermutet dazukommen, zu Diensten sein. 11 Den Bruder Adalgoz, der kürzlich, als das Kloster den Vater verlor, zurückgegeben wurde, erbitten wir mit Euerer Erlaubnis zu unserer Unterstützung. 12 Da wir in allem fromm gehorcht, wenn wir in Bezug auf ihn von Euch Weisungen erhalten haben und wir ihn nichts wider Euren Willen zu tun heißen, bittet unsere gesamte Bruderschaft, daß er auf Grund des Gehorsames, den er Euch schuldet, ihr überlassen wird als einer, der zum Klosterdienst aufgestellt werden soll. Dies soll jedoch nicht heißen, als sei er Eurer Obhut entzogen, da sich doch keiner von uns Eurem Befehl versagt, sondern weil man sozusagen das Gut der Liebe wechselseitig aufwiegen soll. Wir bitten Euch darum, den Bruder Engilpert öfters durch Eure Briefe zu ermahnen, vom Guten zum Besseren voranzukommen.  13 Lebt wohl.

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BriefX2
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Brief 3
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Lateinischer Originaltext:
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2.
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A. Theoderico heremitice conversationis cultori studiosissimo Wigo monasterii Domini salvatoris provisor indignus colore deterso simulationis devote subiectionem oboeditionis.
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Habitudines cuncorum negotiorum nobis undique labo(ri)ose adlabentium vestre aternitatis commiserationem celare nequimus, quia solamen consuete compatientie petentibus, ut speramus, nullo modo subtrahitis, Fratres monasterii nostri nuperrime visitavimus, fratrem nostrum adiutorem inde concessumreduximus, cui rei concessionem nobiscum recusanti penes abbatem nostrum querimoniam feceramus omnium illarum rerum, quas experientiam laborum vestorum optime nosse non ignoramus. Multimodarum gravitudinum iugiter onerose incumbentium nullius fratris solatio habemus elevamentum, cum alius invalitudine, alius diverso preoccupatus (sit) ministerio, ut vel ad spatium parvi temporis solo laboranti concedatur respirandum. Omnes claves monasterii tinnienti cingulo undique appensos ipse porto. Insuper sollicitudini regularis ordinis cautissime debeo previdere, nunc curam penoris gerere, nunc cocis preesse, interdum refectorius, semper omnibus domesticis interius commorantibus et exterius hositibus supervenientibus cunctis serviturus. Fratrem Adalgozum nuperrime monasterio patre viduato restitutum petimus vestra licentia nobis concedi adiutorio. Et quia in omnibus devoti paruimus, quibis de illo vestra precepte suscepimus, nec aliquid invitum facere coegimus, communis petitio fratrum nostrorum precatur, ut pre-cepto vobis debite oboedientie sibi concedatur ordinandus in officium monasteriale, non quasi eliminatus custodia vestra, cum nullus nostrum se subtrahat iussu vestro, sed quia oportet, si audemus dicere, ut bonum rependatis caritative vicissitudinis. Fratrem Engilpertum petimus ut scriptis vestris sepius commono-faciatis de bonis ad melioria. Valete.

5) Im lateinischen Original sind nur die Initialen des Empfängers (A. T.) und des Absenders (W.) angegeben. Am oberen Rand der Seite steht jedoch "Adtheodericv heremita insilva or". Steichele (Das Bisthum Augsburg. Bd 3. S. 431) löste "A. T." in "Abbati Theodorico" und "or" in "orientali", den Adressaten  also in "Abt Theodorich im Ostwalde" auf. Einen solchen Wald konnte er jedoch nicht nachweisen. Bossert (Die Briefe des Feuchtwanger Dekans Wigo. S. 67-72) deutete "or" nicht als Abkürzung, sondern als Bezeichnung für den Ohrnwald bei Öhringen/Hohenlohe, wo sich im Mittelalter Einsiedeleien häuften. Uns sei gestattet, im Zusammenhang mit der Ortsbezeichnung "or" auf das südöstlich von Feuchtwangen gelegene Großohrenbronn hinzuweisen, wo eine alte Einsiedelei war. Das würde auch zu Bosserts Meinung passen, daß Theodorich vor dem Eintreffen der Tegernseer Mönche unter Wigo der Abt von Feuchtwangen gewesen sei, der sich in die Einsamkeit zurückgezogen habe, ohne sein Amt niederzulegen und deswegen noch ein Autoritätsverhältnis gegenüber Wigo und den im Brief erwähnten Mönchen Adalgoz und Engilbert besessen habe, sei es auch nur aus Höflichkeit und brüderlicher Rücksichtnahme. Ist, falls diese Deutung Bosserts zutrifft, nicht wahrscheinlicher, daß sich der Abt in der Nähe seines Klosters, also beim heutigen Großohrenbronn, aufgehalten hat? Die Möglichkeit sollte in Betracht gezogen werden. Nach Bahlow (Deutschlands geographische Namenwelt. Stichwort Ohrte) ist "or" ein vorgeschichtliches keltoligurisches Gewässerwort, das weit über Europa verbreitet ist.
Eine weitere alte Einsiedelei war im ebenfalls nicht weit von Feuchtwangen entfernten Untermosbach. (Braun: Pfarrsprengel Beyerberg, S. 21 und Ingersleben: Feuchtwangen. S. 57f.)
6) Die Reformen von Gorze wurden sehr von den Ottonen gefördert. Ja, die Kaiser zwangen Klöster auch dazu, sie durchzuführen. Häufig wurde entgegen dem verbrieften Recht der freien Abtwahl einfach ein neuer Abt eingesetzt, der ein Mönch aus einem der reformierenden Klöster war. Das könnte auch auf Feuchtwangen zutreffen: Der neue Abt wäre dann Wigo, der abgelöste Theoderich. Manche Mönche, die nicht mit den Reformen einverstanden waren, liefen weg; so könnte wohl auch die geringe Zahl an Klosterbrüdern in Feuchtwangen zu Wigos und Froumunds Zeiten erklärt werden. (Siehe Schmitz: Geschichte des Benediktinerordens. Bd 1. S. 181f.)
Einen Hinweis zur Stellung des Theoderich könnte auch Kapitel 1 der Benediktusregel geben, das die Arten der Mönche aufzählt. Danach haben Einsiedler eine lange Zeit der Prüfung und Bewährung im Kloster verbracht, um "zum Einzelkampf in der Wüste"(S. 61) bereit zu sein.
7) Benediktus-Regel. S. 81-89. Kapitel 7: Dieses Kapitel handelt von der Demut: "Jeder, der sich erhöht, wird erniedrigt, und wer sich erniedrigt, wird erhöht werden."
8) Es handelt sich möglicherweise um Froumund, vielleicht den leiblichen Bruder Wigos, der von Tegernsee mit nach Feuchtwangen ging. Zunächst scheint Gozbert der Bitte um Entsendung Froumunds nach Feuchtwangen nicht entsprochen zu haben. Erst als Wigo ihm seine Mühen erläutert, ist Gozbert damit einverstanden, daß Froumund nach Feuchtwangen gesandt wird, obwohl nach der Benediktus-Regel, S. 183, Kapitel 69, darauf zu sehen ist, daß sich Blutsverwandte nicht gegenseitig bevorzugen. Insgesamt ist der Sachver-halt aber sehr unklar, weil zur Erklärung das Umfeld des Textes fehlt.
9) Es waren wohl genügend Klosterinsassen da, aber kein Mönch, der von Wigo in seinem Sinne mit Führungsaufgaben betreut werden konnte.
10) Nach der Benediktus-Regel, Kapitel39 bis 41 (S. 131-135) regelte der Abt alles, was mit Mahlzeiten und Getränken zusammenhing.
11) Nach der Benediktus-Regel, Kapitel 53 (S. 151-155) mußte der Abt persönlich den Gästen dienen, ihnen zum Beispiel das Wasser zum Waschen der Hände reichen und zusammen mit den anderen Mönchen die Füße waschen.
12) Um welches Kloster es sich handelt, ist nicht feststellbar. Die Benediktus-Regel schreibt vor, daß kein Mönch aus einem anderen Kloster ohne Einwilligung des zuständigen Abts dauernd aufgenommen wird.
13) Zu den Aufgaben des Abtes gehört nach der Benediktus-Regel auch, durch seine Mahnungen anderen zur Besserung zu verhelfen, so in Kapitel 2, S. 69. Siehe auch 2. Timotheus, 4, 2: "... ermahne mit aller Geduld und Lehre."
Erstellt: 12.3.1998 - letzte Änderung am 2.2.2000 durch Hans Ebert
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