Band 1
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Lateinischer Originaltext


Brief 3

Froumund wehrt sich gegen Vorwürfe, die der Abt Ruotker des Würzburger Klosters St. Burkard gegen ihn erhoben hatte. 14 Der Anfang dieses Briefes stammt von der Hand Froumunds.  
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Dem Abt Ruotker, dem durch Erfahrung reichen Lehrmeister, Froumund, der Unbedeutende, Unbegabte und Geringe.  
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Der unter Eurem Namen verfaßte Brief hat unsere Gefühle sehr betrübt. Auf den ersten Blick hatte er sich so dargestellt, als sei er aus der Leichtigkeit Eures Diktats entstanden. Als ich ihn jedoch mit frischer geistiger Aufmerksamkeit durchlas, konnte ich mich nicht erinnern, daß Ihr jemals etwas in so ungepflegtem Stil verfaßt hättet. Das unangenehme Schreiben tobte nämlich in einem derart verwerflichen Geschimpfe, daß ich es am liebsten zerrrissen hätte; auch unser Senior entbrannte voll Zorn. 15 Wenn ich die verehrungswürdige Person des Ruoker nicht hoch achten würde, 16 so würde ich vielleicht häßlche und schändliche Worte benützen, wie sie in einer lügenhaten Strafpredigt im Überfluß vorkommen. Weil ich eine unbekannte Vorsichtsmaßregel außer acht gelassen habe, hat er mich hart angefahren, dabei habe ich das weder selbst getan, noch habe ich es von anderen geschehen lassen. Er hat einen gewissen Hezelin 17 angeführt, der wegen mir nicht bekannter gemeinschaftlicher Vergehen gefaßt werden soll. Er ist mir völlig unbekannt; ich habe ihn noch nie gesehen. Was ich bei meiner Entscheidung für das Mönchsleben abgelegt habe, habe ich dann immer gemieden. 18 Durch eine einseitige Aufzählung behauptet er, daß ich den Eifer als den besten Teil des Menschen verabscheue, da doch allen Weisen geläufig ist, daß der wichtigere Teil des Menschen die Seele ist, während die Vernunft, so sehr erstrebt, unbeständig erscheint. Durch ein erst wieder neu verwendetes verschwommenes altes Wort verheißt er, daß ich erst bei einem Verblassen der Sonne Nachsicht empfangen werde, da doch die Meinung aller die Wahrheit sprechenden Rechtgläubigen belegt, daß ein solches Verblassen das Toben einer Verfolgung anzeigt. 19 Habe ich nun wirklich so großen Unwillen hervorgerufen, daß Ihr Euch selbst nach Art gereizter Menschen nicht mehr an die Sprachregeln hieltet, so soll dieser Verfehlung Nachsicht zuteil werden, verehrter Abt. Wenn jedoch der kindische Sinn irgendeines der Eueren so aufgebraust war, so überlassen wir die Sache Eurem Urteil. 

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BriefX3
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Brief 4

Lateinischer Originaltext:
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3.
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Abbati Ruotkero doctorum peritissimo humilis Froumundus nullius merti dote ditatus.  
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Epistola vestri nominis inscriptione pretitulata multum contristaverat precordia nostra, que primo visa finxerat se, quasi faceditate vestre dictationis esset composita. Quam cum recuperate mentis intentione perlegeram, memini nunquam vos tam inculto stilo ulla verba composuisse. Infremuit enim indecens scriptura in talia convitia, ut nec me solum dilace(ra)re sufficeret, verum in seniorem nostrum ita exarserat. Si honorandam Routkeri personam non vererer, forsitan tam foedis tamque pudendis uterer verbis, ut non peiora superessent convitia. De neglectu mihi ignote cautionis increpavit, quam nec manu propria commisi nec aliis deferentibus unquam accepi. Quendam Hezilinum adduxit, qui penitus sic ignotus, sicut nunquam est a me visus, nescio quid promiscui peccoris petentem. Quod, postquam monomachie studio deterseram, nullo modo possederam. Inequali etiam posicione numerorum affirmat me detestari studium optimam partem hominis, cum makor pars hominis anima esse a cunctis sapientibus non ignoratur et ratio tantum in studio versari videatur. Glossema novissime adiuncta profitebatur decoloracione solis gratiam me adepturum, cum veridicax ortodoxorum sentencia decolorationem solis testatur fervorem designare persecucionis. Sed si tam magnum furorem provocavi, ut more irritatorum hominum lucutio dictatiove vestra eclipsin pateretur, tali delicto indulge veniam, abba venerande. Si alterius alicuius vestorum puerilis animus sic efferbuerat, vestro reservamus iudicio.  

14) Im oberen Teil der Seite steht in kleinerer Schrift "Ad ruotkerv abb herbipolem". Hemmerle (Die Benediktinerklöster in Bayern. S. 346 und 348) schreibt, daß es um 990 einen Abt Ruotker im Kloster St. Burkard in Würzburg gab.  
15) Die der Benediktus-Regel entsprechende Reaktion von Froumund und seinem "Senior" Wigo hätte demütiger Art sein müssen (S. 185, Kapitel 71).  
16) Als ein Instrument der guten Werke wird in der Benediktus-Regel, S. 75, Kapitel 4 genannt: "Die Älteren ehren."  
17) Hezelin war eine in Franken sehr beliebte Verkleinerungsform von Heinrich oder Hermann. Versuche, den im Brief genannten Hezelin mit einer historischen Person zu identifizieren, sind deswegen müßig.  
18) Instrumente der guten Werke sind in der Benediktus-Regel, S. 75, Kapitel 4 "Seine früheren Sünden unter Tränen und Seufzen täglich im Gebet Gott bekennen" und "Diese Sünden in Zukunft meiden".  
19) Nach Theophilos, Bischof von Antiochia (gestorben um 180), wurde die Sonne als Sinnbild Gottes angesehen, das den Mond als Symbol des Menschen durch die Vollkommenheit Gottes überstrahlt. Eventuell bedeutet dies, da Gott niemals "verblaßt", daß niemals Nachsicht empfangen werde. Auch ist es möglich, daß "das verschwommene alte Wort" meint, daß Froumund erst bei einer Sonnenfinsternis Nachsicht empfangen werde.  
Erstellt: 12.3.1998 - letzte Änderung am 2.2.2000 durch Hans Ebert
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